Leseprobe zu "Sushi & Weißbier"

Er fand den Brauer, wie nicht anders zu erwarten, im Sudhaus.

 

Obwohl erst vor Kurzem sein Sohn tot in der Brauerei gefunden worden war, hatte Widbiller den Betrieb bereits wieder aufgenommen. Bramel registrierte dies mit Verwunderung.

 

„Sie brauen wieder?“, eröffnete er das Gespräch.

 

Widbiller knurrte: „Fralle.“

 

Der Pfarrer scherzte halbherzig: „The show must go on, was?”

 

„Es helft ja ned. Mir san a Brauerei, also brau ma. Was dat'ma denn sonst?“, erwiderte Widbiller emotionslos.

 

„Arbeit kann auch eine Form von Therapie sein“, bestätigte der Pfarrer.

 

„I brauch koa Therapie. Und wenn Sie deswegn da san, dann kennan'S glei wieder geh. Des hat Ihnen mei Weib eigredt, oder?“

 

Der harsche Ton ließ Bramel unwillkürlich zurückweichen.

 

„Ich wollte lediglich meinen Beistand anbieten. Sie haben einen schweren Schicksalsschlag erlitten. Da ist es keine Schande, sich Hilfe zu suchen.“

 

„Wenn i a Hilfe brauch, na such i mir scho eine“, brummte Widbiller, und es klang wie eine Verabschiedung.

 

Bramel erkannte, dass er nichts ausrichten würde können. „Wie Sie meinen, Herr Widbiller. Meine Tür steht Ihnen jederzeit offen“, bot er noch an.

 

„Is scho recht. Dankschön. Bekehren'S de, de in Ihr Kirch kommen. I brauch Ihrn Beistand ned.“ Damit ließ er den Pfarrer stehen und schlurfte davon.

 

 

 



Am nächsten Tag lief Pfarrer Bramel seiner Haushälterin prompt erneut ins offene Messer.

 

„Was macht'n Sie eigentlich so sicher, dass de des ned selber warn?“, fragte sie giftig, als die Sprache zwischen ihr und dem Pfarrer natürlich auch auf die neuen Erkenntnisse im Falle Widbiller junior kam.

 

Obwohl die Polizei keine offiziellen Ergebnisse ihrer Ermittlungen bekanntgab, machte in dem kleinen Ort die Neuigkeit, dass nun in einem Mordfall ermittelt wurde, logischerweise schnell die Runde.

 

Die Axthalerin hatte dazu ihre eigenen Theorien: „De Widbillers ham den Gasthof zur Verfügung gstellt für die Flüchtling und dann finden's den jungen Widbiller auf amal tot im Bier! In seim eigenen Bier! Des is doch kein Zufall ned. I seh des ganz klar. Des san doch alles Moslems, de trinken kein Alkohol, des war a Warnung. Jawohl! A Warnung war des. Und i gib Ihnen jetzt a eine, ob'S es hören wollen oder ned: Dass mir die jetzt da herin in unserm Pfarrhaus ham, des werd noch a böses Ende nehmen. A ganz a böses!“

 

Pfarrer Bramel zog ein gleichgültiges Gesicht. Dass er das Pfarrhaus als sein Pfarrhaus betrachtete und nicht als das der Axthalerin, ließ er unerwähnt, doch er erwiderte: „Zum Glück gibt's ja hier kein Sudhaus, gell? Und im Bier drinnen lag die Leiche ja auch nicht. Nur im Gärtank.“

 

Der vernichtende Blick, der ihn daraufhin traf, hätte einen weniger standhaften Mann in die Knie gezwungen.

 

Die Axthalerin entgegnete verkniffen: „Sie werden's a no lernen. Ihr christliche Nächstenliebe in allen Ehren, aber des geht einfach z'weit.“

 

„Was genau?“, fragte Bramel scharf und schob dann, ohne eine Antwort abzuwarten, hinterher: „Die christliche Nächstenliebe liegt mir halt vielleicht einfach näher, ich bin ja schließlich ein Pfarrer, nicht? Und wie ich meine Pfarrei führe, das müssen Sie dann schon mir überlassen.“

 

„Wissen'S was? I hör mir des jetz nimmer länger an. Für mich is des einfach a Saustall, dass ma die da einfach so rumrennen lasst und kaum sind's da, hamma an Mord im Dorf. Sowas hat's bei uns no nie gebn! Und dann soll i a no mit dene unter einem Dach arbeiten? Naa, bei aller Liebe, aber des können'S von mir ned verlangen!“ Mit diesen Worten band sie sich die Küchenschürze ab und pfefferte sie demonstrativ zusammengeknüllt auf den Küchentisch.

 

Dem Pfarrer wurde das Verhalten seiner Haushälterin deutlich zu bunt. Missbilligend fragte er: „Soll ich das als Kündigung werten, Frau Axthaler?“

 

Da wich dann doch ein wenig die Farbe aus dem Gesicht der resoluten Hohenauerin, denn ihren Job wollte sie augenscheinlich doch nicht gleich loswerden. „So war jetz des a wieder ned gmeint“, räumte sie ein.

 

„Wie denn bitte dann?“

 

„Ja, weil i halt find ... i mein ja nur ... also, i wollt halt ...“, stotterte die Axthalerin, plötzlich reichlich kleinlaut.

 

„Halten Sie sich mit Ihren Mutmaßungen und Vermutungen bitte etwas bedeckt. Wir wissen lediglich, dass der junge Widbiller offenbar gewaltsam zu Tode gekommen ist. Durch wen oder wie das Verbrechen begangen wurde, steht auf einem vollkommen anderen Blatt. Solange es keine stichhaltigen Beweise gibt, sind Ihre Anschuldigungen reine Unterstellung, und derlei dulde ich nicht in meinem Pfarrhaus! Hab ich mich klar genug ausgedrückt?“

 

Dem Hallertauer Hausdrachen waren die Widerworte vergangen, denn sie nickte auf einmal dienstbeflissen, raffte die hingeworfene Schürze zusammen und machte, dass sie davonkam.